Dienstag, 30. August 2011

Bei den Rehen

Ok, die Reise begann also am 29. August. Auch wenn der Bus erst 24.10 (laut Reisebeschreibung) abfuhr, hab' ich trotzdem den ganzen Tag gebraucht, um meinen Kram zu packen, meinen PC zu updaten, alle Geräte zu laden, meinen Kühlschrank auszuräumen und was alles noch so übrig ist, bevor man verreist. Zum Beispiel mal nachschauen, wo genau denn meine gebuchten Hostels alle liegen, nur um festzustellen, dass das Hostel in Kurashiki 2 h von Kurashiki entfernt lag und nur per Bus zu erreichen war -letzte Fahrt am Tag: 17 Uhr. -.- Ja, das verlangte noch ein bisschen Last Minute Panik und ein paar Anrufe zwecks Umplanung und dann war's auch so weit. Zum Glück hab' ich Nancys kleinen Ziehkoffer borgen können, so dass das Gepäck-Problem geklärt war.

In Yokohama angekommen findet man die Busse sehr einfach - dort, wo sich die vielen Reisebusse halt stapeln. Nicht, dass man sich aus das Äußere von Bussen verlasen kann - Ich fuhr mit Sakura Express, aber mein Bus hatte Seikyo als Namen dranstehen. Aber dafür gibt es diese neon-gelb, -grün und -pinken gekleideten Männchen & Frauchen, die - augenscheinlich beim Job-Interview nicht auf Stimmtauglichkeit getestet - sowohl Rufer als auch Gerufene inkl. unglückliche Vorbeilaufende mit ihren Pieps-Gequietsche so lange terrorisieren, bis sie alle Schäfchen gefunden und auf ihrer Liste abgehakt haben.

Schlafen im Bus ist sogar für mich ein Härtetest. Nicht nur, dass es 3 Pinkelpausen gibt, anlässlich welcher die Lichter im Bus voll angehen, die Holzklasse hat auch wirklich ziemlich enge Sitze, die sich nich' für Bequemlichkeit eignen. Im vollen Bus gab es lediglich einen freien Platz: Neben mir. Ausländerbonus! ;D Aber auch zwei Sitze verbessern die Lage nicht, ein 150 cm + Mensch kann sich unmöglich liegend da reinquetschen.

Wenig ausgeschlafen bin ich also in Osaka angekommen, das mich mit bombastischen Temperaturen begrüßt hat. Aber laut Plan wollte ich ja sowieso zu den Rehen flüchten - in die alte Hauptstadt Nara. Vor der machte die Sonne zwar auch nicht halt, dafür aber die Touristenmassen, die zum Großteil halt doch ins nah gelegene Kyoto abbogen.

l: Bahnhof Nara, im alten neuen Stil, r: ein Haus am Houryuuji, ebenfalls im alten neuen Stil. Blaue Ziegel dürfte es früher zumindest nicht so oft gegeben haben. Überhaupt ist sowohl Nara als auuch Houryuuji voll mit alten kleinen Häusschen, die noch in der traditionellen Bauweise und mit den typischen Ziegeln gedeckt rumstehen. Ganz anders als in Tokyo, wo man diese Holzbauten mit der Lupe suchen muss.

Nachdem ich mein Gepäck im Hostel abgegeben habe, war ich also voll einsatzbereit, Nara zu erobern. Für den Beginn hab' ich mir auch die größte Anlage ausgesucht, die ein bisschen außerhalb liegt - den Houryuuji. Die Anlage ist so schön wie weitläufig und hat sich sehr gelohnt. Dort befinden sich laut Leaflet einige der ältesten Holzgebäude der Welt, 190 Nationalschätze und wichtige Kulturgüter. Außerdem war die Alage die erste japanische, die in die UNSECO Weltkulturerbe-Liste aufgenommen wurde. Das Wichtige an diesem Tempel ist, dass er in Verbindung mit Shotoku Taishi steht, einem wichtigen Reformer im 8. Jh. Er hat u.a. die chinesischen Hofränge und Gesetze etc. in Japan eingeführt. (Alles weitere verrät euch die Wikipedia, wenn ihr dem Link folgt.^^)

Nara - Houryuji - Kyoto: Stadt der tausend Tempel. Es muss damals mehr Mönche als Leute in den Orten gegeben haben, da bin ich mir sicher. r: Der Eingang zum Houryuuji

Haupthallen und Pagode. Ich hab' mich mal schlau gemacht: Pagoden wurden ausschließlich dazu benutzt, Heiligtümer zu verwahren. D.h., da durfte früher wirklich keiner rein.

Der Hauptkomplex und die Halle von Prinz Shotokus Seele.

Yumedono (Halle der Visionen) sowie Shariden-Reliqienhalle im Toin-Garten und der Chuuguuji, wo es angeblich eines der "3 lächelnden Meisterwerke" (zusammen mit der Sphinx und Mona Lisa), den Nyoirin Kannon (<--Link) gibt.

Im Gegensatz zum nächsten Tempel, der auf der Karte gar nich' so weit weg aussieht und laut Hinweisschildern auch nur 1,5 km weit weg war. 1,5 km in der sengenden Hitze über Erdbeerfelder ohne Erdbeeren (T_T) und Reisfeldern mit viel Wassern und Friedhöfen mit lauter Sackgassen sind aber verdammt lang! Und der Bus von dort zurück kam zwei Mal am Tag.

Jizos am Dorfrand und Pampa hinterm Houryuuji, auf dem Weg zum Hourinji - aber: gut ausgeschildert!


Aber so schnell gibt man nicht auf - schließlich war ja noch Nara zu besichtigen. Vorbei an treudoof schauenden und sich streicheln lassenden Rehen, kann man sich in Nara nicht verlaufen: a) Es gibt sowieso an jeder Ecke 'nen Tempel, b) ist wohl nur Kyoto noch besser ausgeschildert als die Hauptstand des 7./8. Jahrhunderts. Und das gab' es zu sehen:
Der Eingang zum Toudaiji + Rehe, die schon wissen, wo sie rumstehen müssen. Und natürlich die obligatorischen Warnschilder :D

Die große Halle des Todaiji. Auf dem Foto kommt's nich' so raus - die Halle ist groooooß! Und dabei noch 33% kleiner als das Gebäude, das vor dem letzten Brand dort stand.


Nochmal die große Halle und der große Buddha - der größte Bronzebuddha in Japan. Ich muss ehrlich sein, dass er kleiner wirkt als der in Kamakura, weil er in der Halle ist.

Der Buddha + Zwei-Monats-Halle.

Zwei-Monats-Halle. Dort (und auch in anderen Tempelanlagen) hatte sie einen kostenlosen Rastplatz mit Wasser, was sehr schön war. Da hab' ich mich erstmal 30 Minütchen auf die Tatami gelegt und Pause gemacht. :D

Die Rehe - l: wo sei sein sollten, r: wo sie zum Großteil waren. Man musste aufpassen, dass man nicht plötzlich drüberstolperte! Die Rehe in Nara gehen im Übrigen darauf zurück, dass der Gott Takemikazuchi auf einem Reh geritten kam, um die neu gegründete Hauptstadt zu beschützen. Deswegen machen sich die Viecher seit Jahrhunderten in der Stadt breit.


Der Kasuga-Schrein ist berühmt für seine Lampions. Und für einen Baum, auf dem wohl 7 Arten anderer Bäume aufgepropft worden sind. Leider sieht man das nicht so gut, ohne Blüte.





Ansonsten hab' ich heute japanische Hilftbereitschaft at its best gesehen: Japaner schauen also doch nich' einfach alle weg. Ich hab's selbst nicht gesehen, weil ich zur anderen Seite gewandt saß. Die Gruppe Studenten (?) neben mir sprang plötzlich auf und lief aufgeregt irgendwo hin. Als ich rüber geschaut habe, sah ich, dass ein Mann mitten auf dem Gehweg lag - muss wohl vornüber gekippt sein. Jedenfalls hat sich die Gruppe sofort gekümmert, hat den Notarzt gerufen und Wasser gekauft und dem Mann dann die ganze Zeit zugeredet und die Hand gehalten und das Blut vom Gesichts gewischt. Das war jedenfalls 1A Bürgerhilfe.

Und noch etwas Schrein-Info: Viele Schreine, die anno dazu mal gebaut wurden behalten zwar ihre alte Form, wurden aber tatsächlich alle 60 Jahre abgerissen und wieder aufgebaut. Wenn man die gelegentlichen Feuer dazurechnet, muss das Tempel/Schrein-Restaurations-Business gebrummt haben. Allerdings gab' es nur bis ins 19. Jh. Geld dafür, seitdem gilt dieser Bauplan wohl nur noch für die Dächer, so dass die Holzbauten trotzdem oft ganz schön alt daherkommen. Bis auf Ise, den wichtigsten Schrein.

Keine Kommentare: